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Salzkammergut Tropy A-Strecke 2015

Auf den Poppermarathon Ötzi habe ich keine Lust und für die Maratona habe ich dieses Jahr keinen Startplatz bekommen. Die Salzkammergut Trophy habe ich von meiner Liste gestrichen – schaffe ich eh nicht! Dafür bin ich zu dünn, zu alt, nicht verrückt genug. Es gibt 1000 weitere Gründe, das Ding nicht zu fahren.
Aber es gibt einen Grund es zu fahren: Ich will Gewissheit. Ist er wirklich so hart? Die Hälfte der Teilnehmer erreicht das Ziel der A-Strecke nicht. Zusammen mit Tilli melde ich mich dann im Dezember ’14 an: 211 km und 7100 hm … mit dem Mountainbike. Das sind zwei Bike-Marathons hintereinander.
Wie trainiert man für sowas? Die Abfahrten sollen schwierig sein, also nichts mit Schotterautobahnen. Ich beschließe mir die Strecke vorher anzuschauen. Möchte sie in zwei Etappen fahren. Nach der ersten mit ca. 4500hm bekomme ich massive Zweifel, dass ich die Strecke in einem Rutsch bewältigen kann. Nach dem zweiten Tag bin ich mir sicher, dass ich es nicht schaffe. Zumindest nicht rein körperlich. Der Kopf wird eine entscheidende Rolle spielen. Die restlichen drei Wochen werde ich gezielt meinen Durchhaltewillen trainieren.
Tilli und ich logieren in Gosau. Um 3:15 klingelt der Wecker, ich habe gut geschlafen und bin sofort einsatzbereit. Nach einem schnellen Kaffee folgt der erste Härtetest: frühstücken. Diese Herausforderung gelingt nur leidlich. Es folgen weitere, die man morgens zu einer normalen Uhrzeit so hinter sich bringt. Unser enger Zeitplan lässt nicht viel Spielraum: Wir wollen um 4:15 in Bad Goisern sein. Die nächste Herausforderung: in der Dunkelheit seine Siebensachen beisammen halten.
Wir finden schnell einen Parkplatz und machen unsere Räder startklar. Ich entscheide mich für 2 Bar in den Reifen. Ich weiß, dass es zu viel ist. Aber meine neuen Tubeless verlieren etwas Luft. Ich gehe mal lieber auf Nummer sicher. Tilli fährt mit weitaus weniger. Wir rollen in den Startblock. Nach und nach füllt es sich und wir treffen Ivo und Sascha. Ich stehe umringt von Ossis in einem Pulk von Verrückten. Selbst die Zuschauer können verrückter nicht sein. Ein volltrunkener Goiserer (es ist 4:30 Uhr) will im Ziel, also wenn ich es jemals sehen sollte, mit vier Bier auf mich warten. Wenn das mal kein Ansporn ist.
Punkt 5 Uhr Startschuss. In der Morgendämmerung geht es gleich in die erste Steigung, der Dachstein im Morgenrot in unserem Rücken. Eine phantastische Stimmung.
Tilli ist bereits außer Sichtweite, er will es heute wissen. Ich auch, lasse es aber etwas gemächlicher angehen. Nach der Hütteneckalm kommt der erste fiese Trailabschnitt. Ich schiebe zum ersten Mal. Dann folgt die ewige Wand und danach geht es rasch hinab in ein Dorf und über Treppen, Brücke und Ufertrail zurück nach Bad Goisern. Noch 180 km!
Jetzt folgt die zweite, weitaus heftigere Schleife. Steile Rampen wechseln sich mit schwierigen Abfahrten (Skipiste, verblockte mit Fangzäunen gesicherte Passagen) ab. In Bad Ischl geht es plötzlich links ab, senkrecht eine Wiese hoch. Ein paar Übermotivierte versuchen zu fahren und verschießen Körner. Es folgen zwei lange Anstiege und wir sind wieder auf der Hütteneckalm. Dieses Mal fahre ich den fiesen Trail zur Hälfte und bin nach ca. 80km in Weißenbach.
Die nächste Schleife kenne ich nicht, soll aber mit dem heftigsten Downhill gesegnet sein. Der Uphill ist nicht sehr steil und ich lasse einige Leidensgenossen hinter mir. Dann werde ich vom Führenden einer der Kurzstrecken stehen gelassen. Langsam wird es voll. Ich sehe vor mir rosa, und pinkfarbene Klamotten und Pferdeschwänze aus Helmen baumeln. Fahre ich hier auf der Mädchenstrecke? Bei jedem Kriecher, den ich überhole, checke ich die Farbe der Startnummer. Ich halte nach schwarzen Ausschau. Endlich habe ich einen und weiß, dass ich richtig bin.
Dann kommt das Trailmonster. Sind die noch ganz knusper? Das hier ist sau schwierig. Zu dritt schieben wir bergab. Nur ganz wenig kann ich da fahren. Hauptsache heil unten ankommen. Wir haben jetzt ca. 4800 hm hinter uns und noch 90 km vor uns.
An der nächsten Abzweigung muss ich rechts, der Streckenposten hat Stress und sagt: “Thomas links”. Ich folge ihm und biege nach links ein. Er wieder: “Nein Thomas, du musst links!” Ein anderer Streckenposten schiebt mich nach rechts und ich bin alleine auf dem Weg um den Hallstädter See. Ein Ungar schließt irgendwann zu mir auf und wir wechseln uns ab. Wir schonen uns nicht, was die bessere Idee wäre, und fahren mit Tempo 30 nach Hallstadt. Tilli hat mittlerweile 40 Minuten Vorsprung. Jetzt folgen Treppen bergauf und eine Fahrt durch (!) ein Haus. Und dann kommt der Salzberg.
Der berüchtigte Salzberg: 20-25 % steile Serpentinen-Rampen, Fangzäune sichern die Auffahrt. Das hier tut richtig weh! Dann ein senkrechter Wiesenhang und schließlich eine 22 Grad (!!!) steile Asphaltrampe. Und das in der Mittagshitze bei über 30 Grad (dieses Mal Celsius). Alle schieben. Man rutscht mit den Cleats weg. Hier wird zermürbt. Einer von der B-Strecke bettelt um ein Gel “oder sowas”. Hier wird gelitten und aufgegeben.
Dann kurze Abfahrt und die übelst lange Auffahrt zur Rossalm. Jetzt ist der Kopf gefragt. Der Körper mag nicht mehr. Mir kommen etliche B-Fahrer entgegen. Ihr Kopf hat nachgegeben. Vielleicht auch besser so. Nicht für mich. Ich muss da hoch! Oben angekommen stelle ich mich auf die lange Abfahrt zum Gosausee ein. Aber stattdessen folgt eine Welle der anderen. Wann gehts hier endlich wieder runter? Ich bin sehr vorsichtig. Jetzt keinen Fahrfehler mehr. Es wartet nur noch ein ernsthafter Anstieg. Der dauert natürlich ewig. Viele schieben jetzt nur noch. Kurz vor der Kuppe vermute ich Tilli gesehen zu haben. Nee das glaub ich nicht. Ich komme langsam näher und sehe ein schiebendes Spessart-Biker Trikot vor mir. Ich bin leicht baff. Wir fahren gemeinsam über die Kuppe und Tilli lässt mich in der Abfahrt wieder stehen. In Gosau schließe ich wieder zu ihm auf und freue mich auf eine gemeinsame Zielankunft.
Ich fahre mein Tempo weiter und muss jedoch bald erkennen, dass keiner mehr hinter mir ist. Naja der kommt schon. Jetzt gehts ja nur noch bergab. Denkste! Plötzlich schicken sie uns wieder von der Bundesstraße auf einen Schotterweg und der führt berghoch. Boah näää, ich hab jetzt echt keine Lust mehr. Ich boller im Wiegetritt, was jetzt noch geht. Ist natürlich nicht mehr viel. Ich bin ganz alleine unterwegs. Jetzt noch zurück auf Asphalt um den See, durch eine Brücke und nochmal Cross-Country mäßig das Bike den Hang hoch schleppen. Kette fällt runter, will nicht mehr aufs Kettenblatt, wieder runter vom Bike und manuell nachhelfen. Kurz vor Goisern biegen die nochmal auf einen Trail, dann wieder am Bach die “Sinnlos-Schleife” und von hinten nach Bad Goisern rein. Bloß nicht direkt und einfach ins Ziel!
Auf den letzten 1000 Metern überholen mich noch zwei Helden und sprinten tatsächlich noch um Platz 195, oder so! Geilomat. Ich fahre gemütlich über die Ziellinie, nach 14 Stunden auf der Karre.
Wo ist der Typ mit den vier Bieren? Der liegt bestimmt k.o. nach seiner Trophy im Bett. Nach vier Bechern Wassern kommt dann auch Tilli. Noch eine respektvolle Umarmung und das Event ist Geschichte.

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