25. August 2015: 45 km 1400 hm Gletscherüberquerung mit Thrill
6:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Blick aus dem Fenster: Regen! Es ist mein 13. Alpencross. Wir sind in Zimmer 13. Wenn heute Freitag, der 13. wäre, würde ich heimfahren. Ich bin zuversichtlich, dass wir unsere heutige Etappe wie geplant über die Bühne bringen. Beim Frühstück beschließen wir, dass wir um spätestens 9:00 Uhr aufbrechen.
Als es so weit ist, tauschen wir uns noch mit zwei Damen aus, die über die Casati-Hütte über den Cevedale-Gletscher marschieren wollen. Wir wollen auch über einen Gletscher, aber ohne Steigeisen. Dafür mit Bikes. Sie finden die Idee lustig.
Wir brechen pünktlich bei Regen auf. Während wir zum Madritschjoch schieben, bricht plötzlich ein lautes Donnern los. Alle Augen wandern nach rechts und sehen einen Bergrutsch. Zum Glück sind wir weit weg. Nach einer Stunde stehe ich zum zweiten Mal auf dem höchsten befahrbaren Pass der Ostalpen. Er ist wirklich befahrbar, ich habe es mit eigenen Augen gesehen.
Zu fünft nehmen wir die Abfahrt in Angriff. Damals fand ich die Abfahrt nicht so prickelnd. Heute ist alles nass. Trotzdem fahre ich viel mehr als damals, gerade auch die Serpentinen im oberen Teil machen mir Spaß. Langsam werden die Wolken dünner und die Sonne kämpft sich durch die Nebelschwaden.
An der Suldenhütte haben Steffen und ich damals beschlossen, ins Martelltal abzufahren. Dieses Mal zaudern wir keine Sekunde und fahren Richtung Marteller Hütte. Ein malerisches Tal, begrenzt durch gewaltige Gletscher, öffnet sich uns. Nur die letzten 200hm müssen wir wieder schieben. Die Hütte liegt wie ein Kleinod auf 2650 Metern Höhe. Alle Gäste staunen nicht schlecht, als wir mit den Bikes auftauchen.
Mittlerweile hat die Sonne die Oberhand gewonnen. Nur vom Val di Sole her ziehen noch große Nebel- und Wolkenfelder herauf. Dort müssen wir hin. Nach einer Schorle und einem Kaiserschmarrn machen wir uns auf zum Gletscher. Am Gletschertor erklärt der Bergführer einer Gruppe von Bergsteigern den Einsatz der Steigeisen. Wir marschieren schnurstracks an ihnen vorbei auf den Gletscher. Ich spüre die verblüfften Blicke der Gruppe hinter mir. Ich möchte hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass für Gletscherbegehungen Steigeisen, Pickel und Seil obligatorisch sind. Der Furkelferner gehört sicher zu den einfacheren Gletschern. Deswegen ist m.E. das Risiko vertretbar, sofern man den Gegebenheiten mit Respekt und Vorsicht begegnet.
Am Anfang wählen wir den Rand des Gletschers, weil hier kein Eis zu sehen ist, sondern nur Geröll. Doch schon nach den ersten Schritten müssen wir erkennen, dass es sich hier um aufgetauten Permafrost handelt. Bei jedem Schritt rutscht der komplette Boden unter unseren Füßen weg. Ich muss mich mehrmals mit der Hand abstützen und das Bike retten. Schließlich zieht es mir irgendwann die Füße weg und ich lande auf dem Hosenboden, knalle mit dem Ellbogen auf und rutsche ein paar Meter bergab. Ab jetzt wechsele ich definitiv aufs Eis. Hier lässt es sich um einiges besser gehen. Das Eis ist griffig. Außerdem ist es phasenweise mit leichtem Geröllstaub bedeckt, was zusätzlichen Grip bietet.
Mir macht die Begehung des Gletschers großen Spaß, kleinere Risse kann man leicht übersteigen. Eine riesige Spalte, in die Gletscherwasser schießt, können wir leicht umgehen. Mittlerweile sind auch die Schwarzwälder auf dem Eis und wir genießen das Eis.
Am Ende des Gletschers wartet allerdings die größte Hürde auf uns. Die letzten Meter hinauf zur Scharte sind verdammt steil. Es ist kaum ein Weg vorhanden. Stattdessen sehr lockerer Boden, der bei jedem unüberlegten Schritt wegrutscht. Ich gehe voraus und muss die letzten drei Meter hochklettern. Zenon signalisiert Schwierigkeiten. Ich parke mein Bike und klettere wieder hinab. Gemeinsam hieven wir sein Rad auf die Scharte.
Da wären wir mal wieder bei der Sinnfrage eines solchen Unternehmens. Die Begehung eines Gletschers mit Bike und anschließender Kletterei macht auf den ersten Blick keinen Sinn. Es sei denn, man sucht nach einer kürzesten Verbindung und ist abenteuerlustig genug. Und wenn auf der anderen Seite eine tolle Abfahrt wartet, dann umso besser. Der Trail von der Furkelscharte zum Lago di Pian Palu bietet alles, was das Bikerherz begehrt: Flow, technische Passagen, Spitzkehren, kleine Brückchen. Für uns zum größten Teil mit viel Spaß fahrbar. Von Peio nach Dimaro fahren wir auf der Straße und haben leider wieder Gegenwind.
Wir checken im Hotel Bellevue ein und verbringen mit unseren Leidensgenossen in geselliger Runde das Abendessen.