18. Juli 2020: Sehr anspruchsvoller Stoneman mit 5 Sterne Panorama: 130 km 4700 hm
Nach dem Stoneman Dolomiti sollte der Glaciara mein zweiter Eintages-Steinmann werden.
Die Anreise mit dem Womo war bereits ein Genuss. Ich übernachtete auf dem Furkapass, der direkt unterhalb des Rhonegletschers liegt. Wenn man vor solch einem Kühlschrank übernachtet, darf man sich über eisige Temperaturen nicht wundern. Es fing sogar an zu schneien. Der Stoneman Glaciara machte schon jetzt seinem Namen alle Ehren.
Am Morgen fuhr ich entlang der Rhone, die aus dem gleichnamigen Gletscher entspringt, nach Fiesch im oberen Rhonetal. Hier wollte ich den Glaciara am nächsten Tag starten und – hoffentlich – am Abend des selben Tages auch beenden. Dazwischen müssen sechs Checkpoints passiert werden. Man kann einen Stoneman starten, wo man möchte. Übrigens ist auch die Richtung egal, aber m.E. macht jeder Stoneman nur in einer bestimmten Richtung Sinn. Wenn man ihn an einem einzigen Tag absolvieren möchte, ist eine Strategie sinnvoll. Das betrifft die Wahl des Startpunkts, die Planung der Logistik und Verpflegungsmöglichkeiten. Selbstverständlich spielen das Profil und die Streckenabschnitte keine unerhebliche Rolle. Ein langer Anstieg ist bei einem Stoneman immer enthalten. Den sollte man sich nicht für den Schluss aufheben.
Ich hatte jedenfalls noch einen Tag zum Akklimatisieren. Leider schwoll mir allergiebedingt auf einmal die Nase zu. Ich unternahm eine kleine Wanderung und machte dabei den Einstieg meines Stonemans ausfindig. Man sollte immer einen aktuellen Track haben, weil die Kennzeichnung der Route m.E. sehr marginal ist. Wenn man sich offiziell anmeldet, bekommt man immer einen aktuellen GPS-Track. Allerdings sollte mir das beim Glaciara auch nicht viel helfen.
Ich startete um 6 Uhr bei nahezu völliger Dunkelheit hinauf zur Fiescheralp. Dieser Anstieg verläuft komplett auf einer Schotterpiste mit humaner Steigung. Mit jedem Höhenmeter sorgte die aufgehende Sonne für sowohl mehr Licht als auch Wärme. Ich konnte bald Armlinge und Knielinge ausziehen. Die Fiescheralp selbst ist ein Skigebiet und entsprechend unromantisch. Von den Gletschern blies mir ein kühler Wind entgegen. Weiter ging es durch den Tälligrattunnel zur Gletscherstube (s. Alpencross Berner Dreigestirn 2014). Dort steht am Märjele-Stausse auch die erste Stempelstelle. Jetzt folgte ein Trailabschnitt, phasenweise mit verblockten Passagen, aber versüßt mit einem Gletscherpanorama, dargeboten von Tritt- und Galmigletscher. Hier staunte ich bereits zum ersten Mal “Bauklötze”. Es würden noch mehr werden. Jedenfalls kommt man wieder an der Fiescheralp vorbei und dann geht es teils auf Trails (inkl. Uphill), teils auf Schotter vorbei an romantischen kleinen Seen bis zum Anstieg zur Mossfluh. Hier waren Umleitungen ausgeschildert, untermauert mit Bikeverbot. Mein aktueller Track und die verschiedenen Optionen der Routenführung verwirrten mich und bescherten mir einige unnötige Höhenmeter. Das wurde mir irgendwann zu bunt. Ich widersetzte mich dem Verbot und folgte der Originalroute. Ich störte hier eh niemanden, weil ich so gut wie alleine war. Auf der Moosfluh (2. Checkpoint) genehmigt der Stoneman sogar ein paar Trailmeter mit Blick auf den Aletsch. Das ist in der Schweiz möglich. Woanders wären solche Wege für den Biker verboten. Ich war 2014 allerdings noch viel intensiver am Aletschgletscher unterwegs. Die Anstrengung aus Schieben, Umherirren, Konzentrieren und Uphills machte sich bereits bei mir bemerkbar.
Der folgende Downhill (1500 hm) nach Filet verlief auf vielen teils technisch anspruchsvollen Trails. Im Tal suchte ich nach einer Verpflegungsmöglichkeit, fand aber leider nichts. Nur mein Wasser konnte ich bei einer freundlichen Schweizerin auffüllen. Da nun der lange zehrende Anstieg auf das Breithorn ansteht, sollte man hier spätestens die Energiereserven auffüllen! Ich nahm einen Riegel zu mir und kurbelte los. 1600 Höhenmeter am Stück sind kein Pappenstiel. Zum Glück konnte ich alles fahren. „In sieben Tagen schuf Gott die Erde. Zu guter Letzt hielt er einige Krümel in der Hand. Die verteilte er über dem Binntal“. Besser kann man das großartige 360 Grad Panorama oben auf dem Breithorn nicht beschreiben. Nachdem ich hier das dritte mal gestempelt und einen weiteren Riegel zu mir genommen hatte, nahm ich die Schotterpiste ins Bintal nach Heiligkreuz. Dort geht es auf Trails an steilen Wiesenhängen, wo Bauern Heu machten, im ständigen Auf und Ab schließlich nach Bin, wo ich zum vierten Mal die Karte stanzte. Noch 2! Im urigen Ort Bin gönnte ich mir ein Stück Kuchen und einen Kaffee. Aber so richtig wollte mir das keine Energie spenden. Ich wurde langsam aber merklich müder.
Die folgende Passage nach Reckingen im Rhonetal war für mich mental eine Herausforderung. Ohne nennenswerte Höhenmeter fuhr ich hier auf langweiliger Piste, was mir ewig vorkam, bis zum fünften Kontrollpunkt. Dieses Teilstück ergibt eigentlich keinen Sinn, zumal man danach wieder im Tal in entgegengesetzte Richtung zurückfahren muss. Außerdem wird man von der Straße immer wieder auf parallel verlaufende Schotterpisten geleitet. Will man keine Zeit verlieren, sollte man einfach auf der Straße bleiben. Jedoch darf man den Abzweig hinauf nach Bellwald nicht verpassen. Dorthin führt ein anstrengender Trail-Uphill. Selbst wenn man noch frisch ist, ist das kein Spaß. Ich war am Ende. Anfangs fuhr ich noch. Aber die steilsten Stücke musste ich schieben. Als ich endlich zum Checkpoint kam, genoss ich das Geräusch des letzten Klickens der Zange. Meine Stempelkarte, die ich permanent um den Hals trug, war nun komplett durchlöchert. Jetzt ging es nur noch bergab. Schließlich erreichte ich nach 12 Stunden auf dem Sattel wieder Fiesch und holte mir den zweiten goldenen Stein.