“Alle Dinge kommen zu dem, der zu warten versteht“. Dieser Spruch von Henry W. Longfellow war neulich auf dem Kalender in unserer Küche zu lesen (er gibt jede Woche eine Weisheit preis 😉 ) . “Bullsh*t” war mein erster Gedanke. Ein effektiver Leader ist proaktiv.
Folgende Geschichte soll meine Haltung verdeutlichen: Ein Team aus Software-Experten entwickelt ein großes System für business-kritische Anwendungsfälle. Mit steigender Last treten jedoch plötzlich Probleme auf, die zum Ausfall des Systems führen. Hektik bis leichte Panik bricht aus. Es muss schnell eine Lösung her! Die Entwickler des Systems wissen sich nicht zu helfen außer das System neu zu starten. Einige Tage lang läuft alles gut. Dann wieder dasselbe Problem und dieselbe vermeintliche Lösung, nämlich Neustart des Systems. Dass dieses Vorgehen nicht ewig so weitergehen kann, weiß hoffentlich mittlerweile auch der Leser dieses Beitrags. Es stellt sich natürlich die Frage, ob man diese Situation hätte verhindern können.
Das oben beschriebene Problem machte sich in der Tat schon auf dem Testsystem durch Symptome bemerkbar, leider weitaus seltener und in viel geringerem Ausmaße als in Produktion. Keiner hat sich die Mühe gemacht, dem Problem auf den Grund zu gehen, auch der Chef-Entwickler und Leader des Teams nicht. Das “Problem” wurde ignoriert. Keiner, auch nicht der Chef-Entwickler hat die potentiellen Folgen bedacht. Die aktuelle Situation zu diesem Zeitpunkt war unkritisch. Das Warten bzw. Nichtstun hat die zukünftige Situation allerdings erst kritisch werden lassen.
Ein effektiver Leader ist proaktiv
Was heiß das? Proaktivität bedeutet: “Vorausdenken und handeln, noch bevor eine Situation oder eine Krise eintritt, die eine Lösung erfordert. Aufhören, sich über Missstände zu beschweren und lernen, für das eigene Leben verantwortlich zu sein und es selbst zu gestalten.” (s. Wikipedia)
Ein proaktiver Leader macht die Kritikalität transparent und warnt das Team vor den Folgen! Reaktive Leader (bitte nicht verwechseln mit reaktionären Leadern) werden durch ein Ereignis gezwungen zu handeln. Proaktive Führer handeln in der Gegenwart um ein potentiell negatives Ereignis in der Zukunft gar nicht erst stattfinden zu lassen. Ich erlaube mir folgende These: Reaktive Führer handeln nicht proaktiv, weil sie den Aufwand scheuen und zum aktuellen Zeitpunkt ihre Ruhe haben wollen. Proaktive Führer denken voraus und handeln jetzt, um auch in Zukunft Ruhe zu haben. Reaktive Führer denken an die schnelle Abhilfe (ein Pflaster). Während Proaktive Führer Vorsorge betreiben (damit es gar nicht erst blutet) und eine Lösungsstrategie entwerfen. Proaktive Führer handeln bevor es kritisch wird.
Ein proaktiver Chef-Entwickler hätte die Auswirkung des Problems bereits auf dem Testsystem erkannt und die Folgen in die Zukunft projiziert: Was für Folgen könnte das Problem auf Produktion haben, wenn wir es als Team nicht vorher lösen? Er würde das Team zusammenrufen und gemeinsam mit ihm nach Lösungen suchen. Er hätte dem Team unangenehme Fakten präsentiert und ihm seine Bedenken geäußert. Und er hätte es motiviert, im Vorfeld das Problem zu beseitigen statt die Augen zu verschließen. Das ist proaktive Führung! Bei komplexen Problemen gibt es übrigens selten die eine Ursache, die für das Problem verantwortlich ist. Umso wichtiger ist es frühzeitig und gemeinsam eine Lösungsstrategie zu entwickeln. Dies kann u.a. bedeuten, die Ursachen (Plural!) durch Ausschlussprinzip einzugrenzen. Das ist zeitaufwändig. Hierzu braucht es sehr viel Geduld und Ausdauer. Dann und erst dann ergibt der Spruch “Alle Dinge kommen zu dem, der zu warten versteht” Sinn.
In diesem Sinne: Führe proaktiv! Nimm die Dinge in die Hand, ergreife die Initiative und stecke nicht den Kopf in den Sand! Im nächsten Artikel wirst Du sehen, wie wichtig es als effektiver Leader ist, Schon am Anfang das Ende im Sinn zu haben.