Wenn Menschen ihre Umwelt als unsicher und bedrohlich wahrnehmen, entwickeln sie oft stärkere autoritäre Einstellungen. In einem interessanten Beitrag beschreibt Prof. Dr. Schermuly diesen Trend als authoritarian shift. In unsicheren Zeiten steigt das Bedürfnis nach einer „starken Führung“, die klare Strukturen schafft und Bedrohungen abwehrt. Sowohl innerhalb als auch außerhalb von Organisationen neigen Menschen dann dazu, autoritäre Führungspersonen zu akzeptieren, die vermeintlich für Ordnung und vor allem Sicherheit sorgen. Ich versuche in diesem Artikel zu beleuchten wie sich die aktuellen Krisen und dieser Trend auf die Führung und die agile Transformation in Unternehmen auswirken und möchte Empfehlungen ableiten darauf zu reagieren.
Viele Krisen und Spannungen verunsichern die Welt und die Menschen, die in ihr leben. Unternehmen sehen sich großer Unsicherheit ausgesetzt. Ich nehme nicht nur in der Politik, sondern auch in Unternehmen vermehrt einen authoritarian shift wahr. Was bedeutet das – gerade in Krisen – für die Führung und agile Transformation der Unternehmen, die nun schon seit mindestens einem Jahrzehnt proklamiert und nur teilweise erfolgreich umgesetzt wurde?
Auch Führungskräfte neigen gerade in Krisen-Situationen zu autoritärem Verhalten, oft ausgelöst durch Stress oder Zeitdruck. Dies führt zu einer Konzentration der Macht, die kurzfristig als Lösung erscheinen mag. Die langfristigen Folgen autoritärer Führung jedoch sind problematisch: Menschen beteiligen sich nicht mehr am Finden und Entwickeln von Lösungen – mag es doch die Autorität richten. Das verschärft die Krisensituation, weil ein Teufelskreis aus Angst, Komplexität und weiteren Krisen entsteht. Gerade bei komplexen Aufgaben hat sich autoritäres Verhalten daher als besonders ineffektiv erwiesen.
Wenn der Trend eher zu autoritärem Führungsstil geht, welche Auswirkungen hat das auf die agile Transformation und deren Führung?
Was sind die aktuellen Herausforderungen der Unternehmen bei der agilen Transformation?
Die größten Herausforderungen, denen sich Unternehmen auf ihrem Weg zur agilen Transformation gegenüberstehen, sind lt. zweier Studien (s. Business Agility Reports 2023 und Agile Pulse Studie 2023) ineffektive Führung und mangelnde Change Leadership. Führungskräfte, die agile Werte nicht vorleben und Veränderungen nicht aktiv unterstützen, behindern die Transformation.
Eine autoritäre Führung mit Command and Control, mit zentraler Lösungs- und Entscheidungsfindung ist das Gegenteil agiler Führung und behindert, wenn nicht sogar verhindert eine agile Transformation.
Was waren für die Unternehmen Gründe für die agile Transformation? Agiler und fitter für die Zukunft zu sein, auf die sich schnell ändernden Bedingungen schnell reagieren zu können, sich den neuen Anforderungen schnell anpassen zu können. JETZT herrschen diese Zeiten. Es wäre sinnvoller, die agile Transformation voranzutreiben. Das funktioniert aber nicht – wie die Studien zeigen – mit autoritärer Führung.
Empfehlungen für Leader zur Bewältigung der Krisen
Die Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle. Sie müssen agile Werte authentisch vorleben und die Transformation aktiv unterstützen, um die Mitarbeiter zu motivieren und den Wandel nachhaltig zu verankern.
Konkrete Empfehlungen zur Bewältigung der Krise an autoritäre Führung sind daher:
- Verantwortung abgeben durch Empowerment und dabei die Motivation der Mitarbeiter steigern
- Schaffung einer Kultur des Vertrauens und der Transparenz: Offene Kommunikation, Einbeziehung der Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse und Fehlertoleranz.
- Klare Transformationsvision: Eine gemeinsame Vision entwickeln und diese transparent kommunizieren.
- Entwicklung einer Fehler- und Lernkultur: Fehler als Chance zum Lernen begreifen und eine Kultur des Experimentierens etablieren.
- Investition in agile Kompetenzen: Schulungen und Coaching für alle Mitarbeiter, um agile Methoden und Denkweisen zu verankern.
- Schulung von Führungskräften: In Change Leadership, agile Führung und Coaching-Methoden.
- Anpassung der Anreizsysteme: Agile Verhaltensweisen belohnen und traditionelle Leistungsindikatoren hinterfragen.
Führungskräfte sollen nicht nur anders führen. Silo-Denken, starre Hierarchien und komplexe, bürokratische Abläufe hemmen die Transformation und müssen angepasst werden. Deswegen müssen sie mithilfe agiler Arbeitsweisen flexible Strukturen und Prozesse etablieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bewältigung von Krisen durch moderne Führung und agile Transformation ein komplexer Prozess ist, der ein Umdenken auf allen Ebenen der Organisation erfordert und mit einem Change im Leadership einhergeht. Nur mit einer ganzheitlichen Herangehensweise, die die menschlichen Aspekte ebenso berücksichtigt wie die strukturellen und prozessualen Veränderungen, kann die Transformation erfolgreich gelingen.
Das Paradoxe ist, dass die agile Transformation nur mit einer Servant Leadership und Empowerment gelingt. Wegen des aktuellen Trends eines authoritarian shift -auch in den Führungsebenen von Unternehmen- verpasst man eine große Chance auf die Bewältigung der Krisen. Wohl denen, die bereits erfolgreich die agile Transformation gemeistert haben. Diese Unternehmen werden die schwierigen Zeiten überstehen, weil sie bereit sind, sich anzupassen. Den Unternehmen, denen das nicht gelungen ist oder in alte Verhaltensmuster zurückfallen, wird es schwer fallen, überhaupt zu bestehen.