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Der Wecker klingelt um 6:30 Uhr. Das ist Urlaub!
Wir erreichen die Station zwei Minuten vor der Abfahrt. Der Ticketschalter ist geschlossen und wir haben noch keinen Proviant! Gut, wir sind
die letzten zwei Tage auch ohne Essen und nur mit Brunnenwasser ausgekommen, also werden wir die Königsetappe Nummero Drei auch nur mit
Riegel überleben. Wir sind ja nicht zum Essen hier.
Der freundliche Zugführer bugsiert uns schnell in die Bahn und wir fahren zum Spottpreis hinauf nach CM. Bevor wir dort aus eigener Kraft auf
den Bella Lui Grat hinaufradeln, decken wir uns in einem Coop erst Mal ein: Zwei Bananen und ein trockenes Brötchen reichen ja locker!
Dummerweise führt trotz unserer intensiven Prüfungen vor Ort kein fahrbarer Weg nach oben. Dafür gibt es einen Bikepark, der wiederum für
wenig Geld Biker transportiert. Also nichts wie rein in die Bahn, wir sind eh schon wieder viel zu spät dran für unser heutiges Unterfangen.
Dieser Tag wird der absolute Hammer werden, ein Abenteuer, nur das wissen wir jetzt noch nicht.
Oben angekommen müssen wir noch eine steile Piste hinauf zum 2600m hohen Bella Lui schieben. Dabei beobachten uns aus der Ferne Matterhorn
und Mont Blanc. Nach zehn Minuten auf einem sehr schönen Trail folgt die erste Schlüsselstelle. Die meisten Biker werden hier umkehren.
Wir haben vorgesorgt und ein 5m langes Seil dabei. Durch einen schmalen Felsspalt führt eine lange Leiter in die Tiefe. Man kann den
Ausstieg von oben nicht erkennen. Dummerweise ist diese Leiter auch noch mit einem Gitter umgeben. Die einzige Chance hier ist das Bike außen
abzuseilen. Unser Seil ist allerdings etwas kurz, würde aber in zwei Etappen gehen.
Es gibt noch eine Alternative. Ein ziemlich ausgesetzter, mit Drahtseil versicherter Steig um den senkrechten Fels herum. Das erscheint uns
sinnvoller und vor allem schneller. Mit dem Bike in der rechten Hand über dem Abgrund und der linken am Seil steigen wir in luftiger Höhe
Schritt für Schritt hinab. Auf einem kleinen Felsvorsprung können wir die nächste Hürde begutachten: Eine weitere Eisenleiter. Hier gibt es
keine Alternative. Wir tragen erst unseren Rucksack hinunter und lassen unsere Bikes zurück (das Risiko, dass sie geklaut werden, na lassen
wir das …). Bei einer Banane besprechen wir unsere Strategie. Ich übergebe von oben Zenon (er geht ins Fitness-Studio) auf der Leiter Bike
für Bike und er klettert damit nach unten. Die Übergabe und das Hinabsteigen sind das Heikle an der Geschichte, aber unser Plan geht auf.
Dann folgt ein Downhill und an einer Abzweigung nehmen wir den richtigen falschen Weg. Hä? Wir folgen einem Track und der führt vom richtigen
auf den falschen Weg. Schon recht bald müssen wir erkennen, dass wir hier nicht weiterkommen. Schotterfelder mit tiefen Rinnen haben den Weg
weggerissen. Nach der ersten mühsamen Umgehung folgen weitere. Wir geben auf und kehren um zu unserem ursprünglichen Weg. Der führt über
Almgelände hinab zum Lac de Tseuxier. Hier machen wir eine kleine Pause.
Von unten sieht es aus wie eine Sackgasse. Aber ein in den Fels gesprengter Weg führt gnadenlos nach oben. Einige Passagen kann man sogar
kurz fahren. Nach einer trailigen Hochebene mit Schneefeldern und etlichen Bächen und Teichen erreichen wir endlich den Rawilpass. Die
Abfahrt zum Rawilsee führt über einen steilen Hang mit losem Schotter. Der weitere Downhill hinab nach Lenk ist genau nach meinem Geschmack.
Mit Drahtseilen gesicherte Steilwandtrails, ausgesetzte Kehren und durch einen kleinen Wasserfall (meist S1/S2). Das Finale nach Lenk ist
ein Trail vorbei am Iffigen-Wasserfall, der über Brücken und weiter entlang des Baches führt (Dank der Hartnäckigkeit von Zenon).
Zenon denkt, dass die Etappe in Lenk zu Ende ist. Weit gefehlt! Es stehen noch 900 hm hinauf zum
Berghotel auf dem Hahnemoospass an.
Erst auf Asphalt, später dann auf Schotter kämpfen wir uns immer müder werdend hinauf. Wir kommen noch gerader rechtzeitig zum Abendessen.
Das war mal wieder eine Punktlandung.