Bike Strong

Marathons - RTF - CTF 2015

Die Entscheidung, welche Marathons ich in 2015 fahren werde, fällt spontan und nach Lust und Laune. Generell werde ich die zeit- und kostenintensiven internationalen Events eher meiden. Jeweils ein Rennrad- und ein Bikemarathon genügen bis auf weiteres.
Rennen Km Hm Zeit Rang Bemerkung
Salzkammergut Trophy 211 7100 14:07 66. Der ultimative Bike-Marathon.
Alpenchallenge 190 4300 07:32 20. Sehr schöne, anspruchsvolle Strecke (59. Gesamt)
3. Teamwertung

Die Events im Einzelnen

Salzkammergut Trophy

Auf den Poppermarathon Ötzi habe ich keine Lust und für die Maratona habe ich dieses Jahr keinen Startplatz bekommen. Die Salzkammergut Trophy habe ich von meiner Liste gestrichen - schaffe ich eh nicht! Dafür bin ich zu dünn, zu alt, nicht verrückt genug. Es gibt 1000 weitere Gründe, das Ding nicht zu fahren.
Aber es gibt einen Grund es zu fahren: Ich will Gewissheit. Ist er wirklich so hart? Die Hälfte der Teilnehmer erreicht das Ziel der A-Strecke nicht. Zusammen mit Tilli melde ich mich dann im Dezember '14 an: 211 km und 7100 hm ... mit dem Mountainbike. Das sind zwei Bike-Marathons hintereinander.
Wie trainiert man für sowas? Die Abfahrten sollen schwierig sein, also nichts mit Schotterautobahnen. Ich beschließe mir die Strecke vorher anzuschauen. Möchte sie in zwei Etappen fahren. Nach der ersten mit ca. 4500hm bekomme ich massive Zweifel, dass ich die Strecke in einem Rutsch bewältigen kann. Nach dem zweiten Tag bin ich mir sicher, dass ich es nicht schaffe. Zumindest nicht rein körperlich. Der Kopf wird eine entscheidende Rolle spielen. Die restlichen drei Wochen werde ich gezielt meinen Durchhaltewillen trainieren.
Tilli und ich logieren in Gosau. Um 3:15 klingelt der Wecker, ich habe gut geschlafen und bin sofort einsatzbereit. Nach einem schnellen Kaffee folgt der erste Härtetest: frühstücken. Diese Herausforderung gelingt nur leidlich. Es folgen weitere, die man morgens zu einer normalen Uhrzeit so hinter sich bringt. Unser enger Zeitplan lässt nicht viel Spielraum: Wir wollen um 4:15 in Bad Goisern sein. Die nächste Herausforderung: in der Dunkelheit seine Siebensachen beisammen halten.
Wir finden schnell einen Parkplatz und machen unsere Räder startklar. Ich entscheide mich für 2 Bar in den Reifen. Ich weiß, dass es zu viel ist. Aber meine neuen Tubeless verlieren etwas Luft. Ich gehe mal lieber auf Nummer sicher. Tilli fährt mit weitaus weniger. Wir rollen in den Startblock. Nach und nach füllt es sich und wir treffen Ivo und Sascha. Ich stehe umringt von Ossis in einem Pulk von Verrückten. Selbst die Zuschauer können verrückter nicht sein. Ein volltrunkener Goiserer (es ist 4:30 Uhr) will im Ziel, also wenn ich es jemals sehen sollte, mit vier Bier auf mich warten. Wenn das mal kein Ansporn ist.
Punkt 5 Uhr, es geht los. In der Morgendämmerung geht es gleich in die erste Steigung, der Dachstein im Morgenrot in unserem Rücken. Eine phantastische Stimmung.
Tilli ist bereits außer Sichtweite, er will es heute wissen. Ich auch, lasse es aber etwas gemächlicher angehen. Nach der Hütteneckalm kommt der erste fiese Trailabschnitt. Ich schiebe zum ersten Mal. Dann folgt die ewige Wand und danach geht es rasch hinab in ein Dorf und über Treppen, Brücke und Ufertrail zurück nach Bad Goisern. Noch 180 km!
Jetzt folgt die zweite, weitaus heftigere Schleife. Steile Rampen wechseln sich mit schwierigen Abfahrten (Skipiste, verblockte mit Fangzäunen gesicherte Passagen) ab. In Bad Ischl geht es plötzlich links ab, senkrecht eine Wiese hoch. Ein paar Übermotivierte versuchen zu fahren und verschießen Körner. Es folgen zwei lange Anstiege und wir sind wieder auf der Hütteneckalm. Dieses Mal fahre ich den fiesen Trail zur Hälfte und bin nach ca. 80km in Weißenbach.
Die nächste Schleife kenne ich nicht, soll aber mit dem heftigsten Downhill gesegnet sein. Der Uphill ist nicht sehr steil und ich lasse einige Leidensgenossen hinter mir. Dann werde ich vom Führenden einer der Kurzstrecken stehen gelassen. Langsam wird es voll. Ich sehe vor mir rosa, und pinkfarbene Klamotten und Pferdeschwänze aus Helmen baumeln. Fahre ich hier auf der Mädchenstrecke? Bei jedem Kriecher, den ich überhole, checke ich die Farbe der Startnummer. Ich halte nach schwarzen Ausschau. Endlich habe ich einen und weiß, dass ich richtig bin.
Dann kommt das Trailmonster. Sind die noch ganz knusper? Das hier ist sau schwierig. Zu dritt schieben wir bergab. Nur ganz wenig kann ich da fahren. Hauptsache heil unten ankommen. Wir haben jetzt ca. 4800 hm hinter uns und noch 90 km vor uns.
An der nächsten Abzweigung muss ich rechts, der Streckenposten hat Stress und sagt: "Thomas links". Ich folge ihm und biege nach links ein. Er wieder: "Nein Thomas, du musst links!" Ein anderer Streckenposten schiebt mich nach rechts und ich bin alleine auf dem Weg um den Hallstädter See. Ein Ungar schließt irgendwann zu mir auf und wir wechseln uns ab. Wir schonen uns nicht, was die bessere Idee wäre, und fahren mit Tempo 30 nach Hallstadt. Tilli hat mittlerweile 40 Minuten Vorsprung. Jetzt folgen Treppen bergauf und eine Fahrt durch (!) ein Haus. Und dann kommt der Salzberg.
Der berüchtigte Salzberg: 20-25 % steile Serpentinen-Rampen, Fangzäune sichern die Auffahrt. Das hier tut richtig weh! Dann ein senkrechter Wiesenhang und schließlich eine 22 Grad (!!!) steile Asphaltrampe. Und das in der Mittagshitze bei über 30 Grad (dieses Mal Celsius). Alle schieben. Man rutscht mit den Cleats weg. Hier wird zermürbt. Ein Milchbubi von der B-Strecke bettelt um ein Gel "oder sowas". Die A-Fahrer sind gnadenlos und lassen ihn stehen. Hier wird gelitten und aufgegeben.
Dann kurze Abfahrt und die übelst lange Auffahrt zur Rossalm. Jetzt ist der Kopf gefragt. Der Körper mag nicht mehr. Mir kommen etliche B-Fahrer entgegen. Ihr Kopf hat nachgegeben. Vielleicht auch besser so. Nicht für mich. Ich muss da hoch! Geschafft. Ich stelle mich auf die lange Abfahrt zum Gosausee ein. Aber stattdessen folgt eine Welle der anderen. Endlich gehts runter. Ich bin sehr vorsichtig. Jetzt keinen Fahrfehler mehr. Es wartet nur noch ein ernsthafter Anstieg. Der dauert natürlich ewig. Viele schieben. Kurz vor der Kuppe vermute ich Tilli gesehen zu haben. Der schiebt?! Nee dann ist er es nicht. Ich komme langsam näher und sehe ein schiebendes Spessart-Biker Trikot vor mir. Da dreht sich der Typ um und ich sehe Tilli ins Gesicht. Ich bin total baff. Wir fahren gemeinsam über die Kuppe und Tilli lässt mich in der Abfahrt wieder stehen. In Gosau schließe ich wieder zu ihm auf und freue mich auf eine gemeinsame Zielankunft.
Ich fahre mein Tempo weiter und muss bald erkenen, dass Tilli hinter mir weg ist. Naja der kommt schon. Jetzt gehts ja nur noch bergab. Doch plötzlich schicken sie uns wieder von der Bundesstraße auf einen Schotterweg und der führt berghoch. Boah näää, ich hab jetzt echt keine Lust mehr. Ich boller im Wiegetritt, was jetzt noch geht. Ist natürlich nicht mehr viel. Ich bin ganz alleine unterwegs. Jetzt noch zurück auf Asphalt um den See, durch eine Brücke und nochmal Cross-Country mäßig das Bike den Hang hoch schleppen. Kette fällt runter, will nicht mehr aufs Kettenblatt, wieder runter vom Bike und manuell nachhelfen. Kurz vor Goisern biegen die nochmal auf einen Trail, dann wieder am Bach die "Sinnlos-Schleife" und von hinten nach Bad Goisern rein.
Auf den letzten 1000m überholen mich noch zwei Helden und sprinten tatsächlich noch um Platz 195! Geilomat. Ich fahre gemütlich über die Ziellinie, nach 14 Stunden auf der Karre.
Wo ist der Typ mit den vier Bieren? Der liegt bestimmt k.o.nach seiner Trophy im Bett. Nach vier Bechern Wassern kommt dann auch Tilli. Noch eine respektvolle Umarmung und das Event ist Geschichte.

Bilder

Alpenchallenge

Es war kühles Schauerwetter vorhergesagt. Ich oute mich hier als Schönwetterfahrer. Außerdem entwarf ich einen Plan mit einer realistischen Endzeit. Realistisch in Hinblick auf das mittlerweile fortgeschrittene Alter, und eigentlich besseren Bedingungen. Aber egal. Als strukturierter analytischer Radfahrer brauche ich immer einen Plan, auch wenn er nicht aufgeht, was natürlich in den seltensten Fällen der Fall ist.
Viele meiner Vereinskollegen (eigentlich ist es der komplette Verein) sind gemeldet. Unser Präsident Tilli hat die Unterkunft organisiert. Er hat keine Mühen gescheut und eine Luxus-Suite klargemacht, der Traum aller Frauen … ein 6-Mann-Zimmer in einer Jugendherberge, das sich Marion mit fünf Männern teilen durfte. Die sonst üblichen Bräuche, die Männer unter sich zelebrieren, fanden nicht statt. Ich vermisste das obligatorische Dosenstechen (Faxe-Bier) der Gebrüder Schnarz. Ein Must-Have vor jedem Marathon. So tranken wir stattdessen italienisches Bier in der JuHe.
Am Morgen des Rennens saßen alle schon am Frühstückstisch, allesamt Schönwetterfahrer, dementsprechend die Laune. Der Raum war erfüllt von Angst und Zweifel. Das Wetter forderte eine harte Entscheidung von ihnen. Draußen goss es. Mein Plan hatte zwar keinen Regen berücksichtigt. Aber meine Entscheidung fiel schon lange vorher: ich werde auf jeden Fall starten. So reihte ich mich mit Tilli in Block-A ein. Der Block war schon gut voll und wir durften (ich würde eher sagen mussten) an der Startlinie Aufstellung nehmen. Es regnete leicht. Wir hatten gerade noch sechs Minuten Zeit bis es losging.
Dummerweise war die Abfahrt nach Tiefencastel neutralisiert. Ich hätte hier gerne etwas mehr investiert. Am Fuße des Albulas kam, was auf meinem Plan war: Tilli zog an und ließ mich stehen. Als Opfer anti-autoritärer Erziehung mit humanistischer Schulbildung und Kriegsdienstverweigerer ist mir jegliches Konkurrenzdenken fremd. Also ließ ich ihn ziehen und kämpfte mich alleine den Berg hoch. Dabei werde ich von einer Frau missbraucht, als Windschatten. Ich kenne sie. Ich treffe sie regelmäßig bei der Maratona, immer am Giau. Heute lief es nicht so gut bergauf. Aber oben an der Verpflegung stand Tilli noch futternd und wir starteten gemeinsam in die Abfahrt.
Ein geschlossener Bahnübergang ließ eine Gruppe entstehen, die über St. Moritz gen Sonne radelte. Gespickt mit guten Abfahrern rollte der Zug bis zum Splügen. Allerdings war auch hier eine Sektion neutralisiert (grübel). Am Splügen trennten wir uns von der Gruppe, kurz danach Tilli wieder von mir. Er wollte mir aus irgendeinem mir nicht erklärlichen Grund drei Minuten abnehmen - mindestens. Die folgenden 1850 Höhenmeter musste jeder von uns alleine bewältigen.
Kurz vor der Verpflegung wurde Tilli wieder eingefangen. Das nette Verpflegungspersonal schob mich sogar an und wir würgten die letzten Kehren zum Pass hoch. Danach folgte eine Erektion fördernde Abfahrt, zumindest war das so von meinem Hintermann zu vernehmen. Unten ging es dann mit Druck auf dem Pedal und Restspannung in der Hose ziemlich spektakulär durch eine Schlucht bis nach Tiefencastell.
Das Ziel ist eine Bergankunft. Leider mit hefitgem Gegenwind, der auch nicht auf meinem Plan stand. Ich fuhr meinen Stiefel und Tilli damit offensichtlich aus den Socken. Hatte ich so auch nicht geplant. Ebenfalls ungeplant, aber umso erfreulicher der Empfang von Diane und Marion im Ziel.
Eigentlich ging von meinem Plan nicht sehr viel auf, außer der wichtigste Punkt: Spaß. Und den hatte ich auf der gesamten Strecke. Eine tolle Veranstaltung. Und zum Schluss das Allerbeste: Unser Team bestehend aus Tilli, Torsten, Pierre, Thorsi und meiner Wenigkeit belegte den sensationellen 3. Platz.
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